30/01/2024 Leuven – „Fahrzeuge für Gott“: Unter diesem Motto begann vor einem Dreivierteljahrhundert eine Spendenaktion von Kirche in Not, um Motorräder und Autos für die Seelsorge in abgelegenen oder weit entfernten Gebieten zu finanzieren. Im Interview spricht die geschäftsführende Präsidentin des Hilfswerks, Regina Lynch, über die Ursprünge und die Entwicklung dieser besonderen Art der Hilfe, die bis heute andauert.
Was war der Auslöser, die Aktion „Fahrzeuge für Gott“ ins Leben zu rufen?
Der Ursprung der Aktion liegt in Deutschland. Das Land lag nach dem Zweiten Weltkrieg in Schutt und Asche. Das betraf die gesamte Infrastruktur, auch die kirchliche. Viele katholische Heimatvertriebene lebten jetzt in Diaspora-Gebieten. Die Priester hatten versucht, Kontakt mit ihren Gläubigen zu halten. Das waren die sogenannten „Rucksackpriester“. Es waren unglaublich weite Strecken. Wir wissen von Seelsorgern, die tagelang zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs waren. Sie waren am Ende ihrer Kräfte. Diese Not hat damals Pater Werenfried van Straaten gesehen und sich gefragt: Was können wir jetzt tun, um diesen Menschen zu helfen?
Was ist dann passiert?
Zunächst wurde gesammelt, um diesen Priestern Motorräder zu kaufen, später dann VW Käfer. Es wurden auch zahlreiche gebrauchte Autos gesammelt.Dann entstand die Idee, ausrangierte Busse oder Lastwagen zu „Kapellenwagen“ umzurüsten.
Worum handelt es sich bei diesen „Kapellenwagen“?
Es waren kleine Lastwagen, in deren Mitte sich ein Altar befand, der nach außen ausgeklappt werden konnte. Dort konnten die Priester die heilige Messe feiern, wenn sie die Gläubigen in Gebieten besuchten, wo es keine katholische Kirche gab. In diesen Kapellenwagen wurden auch Kleiderspenden und Lebensmittel transportiert. Diese Kapellenwagen waren außergewöhnlich, und sie hatten Großartiges bewirkt. Die Heimatvertriebenen in der Diaspora hatten das Gefühl, nicht vergessen zu sein.
Bald kam bei Kirche in Not die Hilfe für die Christen hinter dem Eisernen Vorhang und schließlich auf der ganzen Welt dazu. Was waren dort die Herausforderungen?
Diese Länder waren nicht alle so zerstört wie Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch dort mussten und müssen kirchliche Mitarbeiter oft riesige Distanzen zurücklegen – und das unter schwierigsten Straßenverhältnissen. Dort hat Kirche in Not Motorräder, Autos oder auch Boote finanziert. Statt zu Fuß zu gehen, konnten Priester und Ordensfrauen zu den Gemeinden fahren.
Wie sieht das heute konkret aus?
Es gibt zum Beispiel in Afrika oder Lateinamerika Seelsorger, die 50 oder sogar 100 Dörfer betreuen. Natürlich kann er da nicht täglich hin, aber mit einem Auto, einem Transporter oder mit dem Motorrad kann er mehrmals im Jahr die Gemeinde besuchen, die heilige Messe feiern, taufen oder Beichte hören. In der Zwischenzeit bereiten Katecheten die Menschen auf die Sakramente vor und organisieren das Gemeindeleben.
Macht Kirche in Not auch regionale Unterschiede? Nicht überall ist ja ein Auto das sinnvollste Fortbewegungsmittel.
Oft sind die Straßen so schlecht, dass kein Auto durchkommt. Da sind dann Motorräder wichtig. Oder es gibt Gemeinden, die an Flüssen liegen, zum Beispiel am Amazonas. Dort erreicht der Priester seine Gemeinde per Boot. Und in den Anden, wo die Wege sehr steil sind, haben wir schon Mulis oder Esel für Ordensfrauen finanziert. Die lokale Kirche passt sich den Gegebenheiten an, und Kirche in Not passt sich den lokalen Bedürfnissen an.
Besonders wichtig ist die Seelsorge in Kriegs- und Katastrophengebieten. Kommen bei Kirche in Not auch besondere Anfragen an?
Ein aktuelles Beispiel ist der Krieg in der Ukraine. Ziemlich schnell haben uns von dort Anfragen nach Fahrzeugen erreicht, damit die kirchlichen Mitarbeiter Hilfsgüter transportieren, Menschen in Sicherheit bringen oder ihre verstreut lebenden Gemeindemitglieder aufsuchen können. Dafür sind dann Kleinbusse hilfreicher als Autos. Ein anderes Beispiel ist Nordnigeria. Obwohl viele Priester entführt wurden, wollen diese dennoch die Gläubigen besuchen. Früher waren sie mit einem Motorrad unterwegs, aber jetzt ist das zu unsicher. Und der Bischof fragt dann an, ob wir ein Auto finanzieren können.
Im welchem Bereich bewegt sich die Fahrzeughilfe von Kirche in Not aktuell?
Für 2023 liegen noch nicht alle Zahlen vor, aber es wird sich auf einem ähnlichen Niveau wie im Vorjahr bewegen. Da haben wir 1250 Fahrzeuge für die Seelsorge finanziert, darunter über 560 Autos und 250 Motorräder, 16 Boote und auch viele Fahrräder. Zum Beispiel haben wir in Indien Katecheten, die sehr weite Strecken zurücklegen müssen, über 400 Fahrräder zur Verfügung gestellt. Jedes Jahr gehen rund 12 Millionen Euro in die Fahrzeughilfe.